Wissenswertes Detail

Den Wald vor lauter Bäumen sehen

Ökosystemleistungen

Wie Wald der Gesellschaft nützt und weshalb ein Ausgleich fair ist

 

Der Mensch nutzt und verändert Ökosysteme. Auf welche Weise er von den Ökosystemen profitiert, wird mit dem Begriff Ökosystemleistungen beschrieben.

In Ökosystemen – etwa einem Wald, Moor oder Gewässer – wirken lebendige (biotische) Organismen mit ihrem Lebensraum aus unbelebten (abiotischen) Komponenten zusammen – etwa mit Boden und Wind, Temperatur und Niederschlag.

Miteinander vernetzte Stoffkreisläufe wie Wasser-, Sauerstoff-, Kohlenstoff- oder Nähstoffkreisläufe ermöglichen das ökologische Gleichgewicht in diesem System, das seinerseits von menschlichem Handeln, zunehmender Urbanisierung und Klimawandel beeinflusst wird.

Das Ökosystem als Wirtschaftskonzept

Der Wissenschaft dient der Begriff Ökosystemleistungen als Konzept, mit dem sich ökologische Systeme mit den ökonomischen Anforderungen der Gesellschaft verbinden lassen.

In Deutschland erarbeiteten die Beteiligten des von 2012 bis 2018 vom Bundesumweltministerium und dem Bundesamt für Naturschutz geförderten Projektes „Naturkapital Deutschland – TEEB DE“ Möglichkeiten, um die Forschungsansätze der internationalen Studie „Die Ökonomie von Ökosystemen und der Biodiversität“ (The Economics of Ecosystems and Biodiversity − TEEB) in Deutschland auf die Erhaltung von biologischer Vielfalt und Ökosystemleistungen anzuwenden.

Das Projekt lieferte ökonomische Argumente für strategische Entscheidungen in nationalen und internationalen Prozessen zum Schutz von Klima, biologischer Vielfalt, Wasser und Boden.

Naturkapital Deutschland – TEEB DE“ definiert drei Kategorien von Ökosystemleistungen:

  • materielle Versorgungsleistungen
  • Regulierungsleistungen
  • kulturell bedeutsame Leistungen
Definition der Ökosystemleistungen laut Naturkapital Deutschland – TEEB DE
„Ökosystemleistungen sind direkte und indirekte Beiträge der Natur zum menschlichen Wohlergehen. Ökosystemleistungen umfassen materielle Versorgungsleistungen (z.B. Nahrungsmittelproduktion), Regulierungsleistungen (z.B. Klimaregulation von Mooren und Wäldern durch Kohlenstoffspeicherung) sowie kulturell bedeutsame Leistungen (z.B. Erholungsmöglichkeiten in der Natur). Die biologische Vielfalt – die Vielfalt von Arten, von Ökosystemen oder Lebensräumen und die genetische Vielfalt – ist dabei eine wichtige Basis und bildet die Grundlage einer langfristig gesicherten Existenz des menschlichen Lebens auf der Erde.
Wirtschaftlich bedeutsame Ökosystemleistungen sind auch die Selbstreinigungskraft von Gewässern, die Luftreinhaltung über die Filterleistungen von Bäumen und Sträuchern oder die natürliche Bodenfruchtbarkeit.“

Quelle: https://www.ufz.de/teebde/index.php?de=43781

Auf der internationalen Studie TEEB basiert auch die inhaltlich gleichlautende CICES-Klassifikation der Ökosystemleistungen. Die im Projekt CICES (Common International Classification of Ecosystem Services = Gemeinsame internationale Klassifikation des Ökosystems) der Europäischen Umweltagentur (EEA) festgeschriebene Klassifikation dient als europäischer Standard für eine „umweltökonomische Gesamtrechnung“. Diese Gesamtrechnung spiegelt die Auswirkungen wirtschaftlicher Aktivitäten auf die Umwelt ebenso wie die Bedeutung der Umwelt für die Ökonomie wider.

CICES EU: Guidance-V51-01012018.pdf (cices.eu)

Zu den Ökosystemleistungen des Waldes gehören:

  • Klimaschutzbeitrag durch CO2-Bindung und Kohlenstoffspeicherung
  • Lebensraum für ca. 10.000 Tier- und Pflanzenarten
  • Sicherung der Artenvielfalt
  • Erosionsschutz und Bodenbildung
  • Hochwasser- und Lawinenschutz
  • Wasserfilterung und Grundwasserspeicherung
  • Sauerstoffproduktion, Luftfilterung und -kühlung
  • Rohstofflieferung für die wirtschaftliche Nutzung
  • Arbeitsplatzsicherung im ländlichen Raum
  • Nahrungslieferung (Wildbret, Früchte)
  • Erholungs- und Gesundheitsfunktion
  • Touristische Nutzung

Gegenleistung schafft Ausgleich: Honorierung der Ökosystemleistungen

Weil sich Nutzen und Wert der Wald-Ökosystemleistungen für die Gesellschaft zuvor schwer beziffern ließen, legte das Thünen-Institut für Internationale Waldwirtschaft und Forstökonomie 2020 ein „Konzept zur Honorierung der Ökosystemleistungen der Wälder in Deutschland“ vor. Das Konzept verstand sich als „konkreter Vorschlag an die Politik, die forstliche Förderung so umzugestalten, „dass sie den Interessen der Gesellschaft wie auch der Waldeigentümer möglichst gut und besser als heute dient“.

Im Frühjahr 2021 stimmte der Bundestag einem Antrag der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD auf ausreichende Honorierung der Ökosystemleistungen des Waldes zu. Die Bundesregierung wurde mit der Ausarbeitung eines Konzeptes zur Honorierung der vom Wald erbrachten vielfältigen Ökosystemleistungen beauftragt. Das Konzept fußt auf einer wissenschaftlichen Darstellung der Ökosystemleistungen und soll gezielte wirtschaftliche Anreize für Waldeigentümer setzen, Ökosystemleistungen als Betriebsziel bereitzustellen.

Sockelbetrag plus Leistungsaufschlag

Auf dem 2. Nationalen Waldgipfel im Juni 2021 stellte das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) schließlich Eckpunkte seines Modells zur Honorierung der Klimaschutzleistung von Wäldern vor, in dessen Entwicklung die Länder sowie Praktiker aus der Forstwirtschaft und der Wissenschaft einbezogen waren. In diesem zweistufigen Ansatz berücksichtigt das BMEL ausdrücklich auch die Nutzung von Holz zur langfristigen Kohlenstoffspeicherung.

Nach diesen Eckpunkten ist vorgesehen, an Waldbesitzende in einer 1. Stufe einen Sockelbetrag zu zahlen, wenn sie Erhalt, Entwicklung und nachhaltige Bewirtschaftung klimaresilienter Wälder nachweisen. In einer 2. Stufe können sie einen Aufschlag für die CO2-Bindungsleistung unter Einbeziehung von Holzprodukten erhalten. Die Höhe der Zahlung soll sich zum einen an der gesteigerten Klimaschutzleistung des Waldes und zum anderen an den Aufwendungen der Waldbesitzenden orientieren, wenn sie diese Leistung langfristig erbringen.

In seinem „Klimaschutz-Sofortprogramm 2022“ hatte das Bundeskabinett am 23. Juni 2021 die Einführung eines solchen Modells vereinbart, um einen Anreiz für den Erhalt und die Vergrößerung der CO2-Senke in Wäldern und in langlebigen Holzprodukten zu setzen.

Voraussetzung für die Vergütung ist die Vorlage des Zertifikats eines anerkannten Zertifizierungssystems, das die (noch zu spezifizierenden) Elemente für die klimaangepasste Bewirtschaftung sowie für die Erhöhung der CO2-Bindungsleistung in Wald und langlebigen Holzprodukten nach vorgegebenem Standard nachweist.

Bis zur inhaltlichen Konkretisierung des Modells müssen allerdings noch eine Reihe von rechtlichen Fragen geklärt werden.

Die Einführung dieses Honorierungssystems könnte 2022 begonnen werden. Der Beschluss des Bundeskabinetts zum Entwurf des Bundeshaushalts 2022 beinhaltet 200 Millionen Euro aus dem Energie- und Klimafonds für den Einstieg in die Honorierung der Klimaschutzleistung von Wäldern. Dieser Ansatz steht allerdings unter dem Vorbehalt der Beschlussfassung zum Bundeshaushalt 2022 durch den Haushaltsgesetzgeber.

Weitere Informationen:

Kontakt:

Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V.
Martina Plothe
Tel.: +49 3843 6930-311
Mail: m.plothe(bei)fnr.de

 

 

 

 

Die Infografik „Ökosystemleistungen des Waldes“ gibt einen Überblick über die Leistungen des Waldes, exemplarisch dargestellt an einem Hektar Fläche. Quelle: FNR 2021
Die Infografik „Ökosystemleistungen des Waldes“ gibt einen Überblick über die Leistungen des Waldes, exemplarisch dargestellt an einem Hektar Fläche. Quelle: FNR 2021
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